Wir müssen aus allem Nutzen schöpfen

12.04.2025

"Hier mit mir am Tisch ist der Mann, der mich verrät." (Lk 22, 21)

Das sagt Jesus, als er mit seinen Freunden beim letzten Mahl vor seiner Auslieferung und seinem Tod zu Tisch sitzt. Er weiß, dass einer seiner Freunde ihn verraten wird. Heftig, oder? Er weiß das, aber er stellt ihn nicht zur Rede, er versucht nicht, ihn davon abzuhalten, er macht ihm keine Vorhaltungen. Und ganz sicher hätte er ihm verziehen, wenn er die Chance dazu gehabt hätte. Judas aber hat sich ja das Leben genommen.

Sind Sie schon mal von einem Freund verraten worden? Oder von jemanden, der Ihnen nahe stand oder der ihnen wichtig war? Oder der Ihnen vertraut war? Katharina Kasper ist das passiert.

Schwester Beata Breidenbach war ihre Sekretärin – sie war sozusagen Chefsekretärin. Das heißt, sie war in so gut wie allem eingeweiht. Sie wusste Bescheid, auch von Dingen, die die meisten Schwestern nicht wussten. Das bringt der Job mit sich. Und so wusste sie auch, dass Katharina – in Absprache mit ihren Ratsschwestern – im Kulturkampf Klostereigentum kurzfristig auf ihren Bruder überschreiben ließ. So konnte sie alles für die Gemeinschaft retten, für die sie verantwortlich war.

Johann Jakob Wittayer, damaliger Superior der ADJC, interpretierte ihr Handeln als Begünstigung ihrer Verwandten, erstattete in Limburg beim Bischof Bericht und beeinflusste Schwester Beata, die die Angelegenheit plötzlich genauso sah und heftig gegen ihre Generaloberin intrigierte. Irgendwann bekam sie – Gott sei Dank, kann man da nur sagen – ein schlechtes Gewissen. Das führte allerdings dazu, dass sie bei einer Nacht- und Nebelaktion das Kloster verließ und nicht zurückkommen wollte.

Das tat sie dann doch – etwa ein halbes Jahr später. Und Katharina? Sie nimmt sie wieder an, und setzt sie sogar wieder in ihr früheres Amt als Generalsekretärin ein, offenkundig, um sie nicht bloßzustellen. Auch vor den Neuwahlen – Sekretärin war damals ein Wahlamt – deckt sie Schwester Beatas Fehlverhalten nicht auf. Der Bischof unterstützt Katharina darin, Schwester Beata im Amt zu lassen.

Von da an spricht niemand mehr von Schwester Beatas Fehlverhalten. Sie selbst lässt sich nichts mehr zuschulden kommen. Im Gegenteil, sie verehrt Katharina und steht ihr bedingungslos zur Seite.

Katharina verzieh nicht nur der "Verräterin"; sie begegnete ihr auch mit einem beispiellosen Großmut. In einem anderen Zusammenhang schreibt Katharina – es passt aber auch hier:

"Der liebe Gott hat uns noch nicht verlassen, das dürfen wir doch schließen aus den vielen Liebesbeweisen, welcher er uns würdiget. Wir sollen hieraus lernen, dass nicht allein schwache Seelen wanken, sondern auch starke können noch straucheln, wenn sie nicht beständig auf ihrer Hut sind und um Festigkeit und Beharrlichkeit beten. Wir müssen aus allem Nutzen schöpfen." (Brief 16)

Das ist ihre Haltung.