Noch eine Chance

22.03.2025

Mal ganz ehrlich! Sie haben einen Baum gepflanzt, und der bringt einfach nicht die ersehnten Früchte. Kommen Sie da nicht auch auf die Idee, ihn umzuhauen, um einen anderen zu pflanzen? Das ist irgendwie menschlich.

Umso mehr gefällt mir die Antwort des Gärtners: "Lass ihn noch ein Jahr stehen. Ich will den Boden um den Baum herum noch einmal umgraben und ihn gut düngen. Wenn er dann Früchte trägt, ist es gut; sonst kannst du ihn umhauen." (Lk 13, 8-9)

Mir gefällt dieses Gleichnis vom Feigenbaum; gerade weil man es so schön auf den Menschen übertragen kann: nicht den Stab über jemanden brechen, Geduld mit ihm haben, sich um ihn sorgen und ihm noch eine Chance geben.

Genauso hat Katharina Kasper gehandelt. Sie hat viel Geduld mit den jungen Frauen gehabt, die in die Gemeinschaft eintreten wollten. Sie hat viel Nachsicht gehabt, wohlwissend, dass das Leben im Kloster eine andere Welt ist. Ja, und nicht nur einmal war sie zu einer weiteren Chance bereit.

Sr. Willeyka ist ein tolles Beispiel dafür. Diese junge Frau kam aus Böhmen, trat in die Gemeinschaft ein und wurde krank im rauhen Westerwald. Das war in apostolisch tätigen Gemeinschaften ein Grund, diese Frauen zu entlassen, wenn wenig oder keine Aussicht auf Gesundung bestand.

Katharina hatte eine unglaubliche Menschenkenntnis. Sie wusste, dass man der jungen Frau unrecht tun würde, wenn man sie einfach entließe. So schickte sie sie im Ordenskleid – kirchenrechtlich undenkbar! – nach Böhmen zurück, schrieb der Oberin dort, sie solle die Schwester dort aufnehmen und sie im Konvent lassen, wenn Willeyka das wolle.

Lange Rede, kurzer Sinn: Sr. Willeyka wurde in Böhmen wieder gesund. Katharina eröffnete kurzerhand in Böhmen ein Noviziat, das Sr. Willeyka erfolgreich durchlief. Sie wurde zu einer engagierten Ordensfrau. Viel später wurde sie Provinzoberin der böhmischen Provinz. Das war nur möglich, weil Katharina eine "fürsorgende Gärtnerin" war.

Was mir auch gefällt: Der Gärtner glaubte daran, dass seine Fürsorge etwas bringen würde. So auch Katharina – wenn man alles mit Liebe und Geduld tut. Sie sagt:

"… ich bitte sehr, recht eifrig und mit Liebe die angehenden jungen Kinder [gemeint sind die jungen Frauen, die eingetreten waren] anzulernen zu allen Pflichten und Arbeiten. Sie wissen dieses ja alles durch Erfahrung; wenn uns alles gut gezeigt wird mit Liebe, wie man alles leicht erlernt und Eifer und Mut gibt, alles lernen zu wollen. Durch Wort und Beispiel unterweisen wir in Sanftmut, Geduld und Liebe. Der Herr wird allen vergelten, welche an der Ausbildung Seiner Mägde gewirkt haben." (Brief 155)

Den Gärtner im Gleichnis können wir uns zum Vorbild nehmen, finden Sie nicht auch?